Apartment

Steve richtete seine Krawatte und sein Sakko ein letztes mal, dann klopfte er dreimal fest an die Tür.
Sein Antrag auf Urlaub war angenommen worden, er hatte eine Woche auf der Citadel. Genug Zeit sich um alte Dinge zu kümmern und vielleicht sogar die eine oder andere offene Wunde endlich heilen zu können. Direkt nachdem er auf der Citadel angekommen war, hatte er einen Friseur aufgesucht. Daraufhin hatte er sich für einen halben Tag in die Einkaufsmeile von der Citadel verzogen. Schließlich hatte er ein gut gefülltes Konto das geradezu danach schrie etwas erleichtert zu werden. "Außerdem... wann komme ich sonst dazu mal etwas Geld auszugeben?" Er hatte sich für einen schlichten Anzug entschieden, dazu ein weißes Hemd und schwarze Schuhe. Als er sich das erste mal mit dem neuen Outfit im Spiegel gesehen hatte, hatte er kurzzeitig geglaubt er würde jemand anderen sehen. Es war schon Ewigkeiten her seit er das letzte mal einen Anzug getragen hatte. "Ich glaube... das war nach meiner Grundausbildung... zu dieser Feier... danach konnte ich den Anzug wegschmeißen..." Nachdem er sich neu eingekleidet hatte, hatte Steve kurz darüber nachgedacht seinem Kind und seiner ehemaligen Lebensgefährtin etwas nettes zu kaufen. Für Julie hatte er einen Strauß weißer Rosen gekauft, sein Kind jedoch musste erst einmal leer ausgehen. Schließlich kannte er noch nicht einmal das Geschlecht seines Nachwuchses. "Naja ... wir könnten ja danach noch einkaufen gehen oder..."
Er schluckte als er auf der anderen Seite der Tür Schritte hörte.
"Fuck... ich ... Gott bin ich armselig..."

Julie war heute früh aufgestanden mit einem Gefühl, dass das ein wirklich schöner Tag werden würde. Sie hatte James aus dem Bett geholt und ihm ein schönes Frühstück gemacht. Heute hatte er sogar ohne viel zu schimpfen beim Abwaschen geholfen. Dannach hatte sie Valentina geweckt. Sie war so ein süßes Baby und Julie konnte sich kaum an ihrem Anblick satt sehen. Sie liebte es bei ihrem Sohn zu sitzen und sich ein wenig mit Valentina zu beschäftigen, während er ruhig an seinen Blidern malte.
Ja, es war wirklich ein schöner Tag gewesen, doch ohne es zu wissen endete dieser, mit dem Klingeln an der Tür, als sie einen Kuchen in den Ofen schob. "Ich geh schon", rief sie glücklich, während sie mit Valentina im Arm an die Tür ging. So gut es mit einem Baby auf dem Arm eben ging zupfte sie ihre blaue Bluse zurecht und prüfte im Vorübergehen in einem Spiegel noch einmal ihre Haare. Ich hab mich gut gehalten, wenn man bedenkt das ich bereits zwei Kinder habe, dachte sie und lächelte sacht. Sie trat an die Tür und konnte ihren Augen nicht trauen, als sie das Bild eines ihr nur zu bekannten Mannes im Bildschirm erblickte. Das kann nicht wahr sein, das darf er mir nicht zerstören, dachte Julie und flehte innerlich sie möge sich getäuscht haben. Der Gefallen wurde ihr nicht getan. "Steve.", sagte sie kalt. "Was machst du hier?"

"Ich... also ich... öhm... ja..." Er zupfte kurz an dem linken Ärmel seines Anzugs und schwenkte dann mit den Blumen kurz hin und her.
"Also... ich hab ein paar Kontakte anzapfen lassen weil... naja ich wollte nachsehen wie's dir und dem Kind geht ... ich ... puhhh...." Er hatte sich nicht vorgestellt das dass alles so unangenehm werden würde. Julie hatte sich äußerlich kaum verändert, sie sah fast genauso aus wie an dem Tag als er einfach losgegangen war. "Bis auf die kleine Ader da am Kopf die auf der Stirn hervor tritt ... die ist neu..."
"Ich hab darüber nachgedacht was damals passiert ist... ich habe Jahrelang alle Verantwortung vor mich her geschoben und .... naja in den letzten Wochen .... hab ich angefangen mir Gedanken zu machen... was ich damals zurück gelassen hab und..." Er sah kurz über die Schulter von Julie und das Wohnzimmer. "Kann ich bitte kurz reinkommen?" Fragte er nun und setzte ein schmales Lächeln auf, während er den Strauß voll weißer Rosen langsam in die Richtung seiner Ehemaligen hielt.

"Schatz, wer ist da?", erklang eine tiefe, eindeutig männliche Stimme aus dem Inneren des Apartments und wenig später wurde eben jene Stimme von festen, bestimmt anmutenden Schritten abgelöst, welche sich der Tür näherten und die zu einem hochgewachsenen, breit gebauten Mann gehörten, welcher im Türrahmen erschien. Die dunklen Augen des Mannes waren auf den Neuankömmling gerichtet, registrierten genau den Strauß weißer Rosen, die Steve seiner Frau hinhielt und waren seine Züge in der ersten Sekunde noch vollkommen entspannt gewesen, verhärteten sie sich jetzt. Die Missgunst in jeder einzelnen Bewegung sichtbar machend, wandte er sich zu dem etwa neunjährigen Jungen um, der nur wenige Sekunden nach ihm im Rahmen aufgetaucht war und nun mit verständnisloser Miene zu seiner Mutter und dem Fremden blickte.
"Okay, Sportsfreund - was hältst du davon, wenn du schon mal zurückgehst und an deinen Würfen arbeitest?", fragte John mit erstaunlich ruhiger und warmer Stimme, stieß ihn sanft an und wartete bis James die Andeutung verstand. "Wir spielen gleich wieder", fügte er hinzu, noch bevor sich der Junge umgewandt hatte und zurück ins Wohnzimmer verschwand. Im selben Moment, in dem der Junge verschwunden war, richtete John sich wieder auf und trat neben seine Frau, ihr sacht einen Arm um die Hüfte legend, ohne den Blick von dem Neuankömmling abzuwenden. Wer immer der Typ war, der da in der Tür stand - er schien sich nicht allzu wohl in seiner Haut zu fühlen.
"Und du bist wer?"

"Ich? Steve Brown Sir. Schön sie kennen zu lernen." Meinte er knapp und nickte dem hochgewachsenem Mann kurz zu.
"Falls... Julie es ihnen nicht erzählt hat.... ich .... bin der Vater von ihrem ersten Kind." Tausend Gedanken schossen dem Soldaten mit einem mal durch den Kopf.
Das Julie einen neuen Freund hatte das hatte er nicht erwartet. "Warum eigentlich nicht? Herr Gott es sind neun Jahre seit damals vergangen... sie hat ihr Leben weiter gelebt..."
Als James kurz ein Stück näher gekommen war hatte Steve den Hals gereckt um den Jungen mit eigenen Augen sehen zu können, jedoch leider ohne Erfolg.
"Einen Jungen... ich hab einen Sohn..." Doch noch im selben Moment fragte er sich ob er sich überhaupt als Vater bezeichnen dürfte. Sicher, biologisch war er der Erzeuger und Vater des Jungen, aber er hatte ihn bisher nicht einmal zu esicht bekommen, hatte keine Zeit mit ihm verbracht oder auch nur eine Nachricht an ihn geschickt. "Ich hätte das alles haben können... ein ruhiges Leben... mit Familie..."
Warum er damals mit einem mal fortgegangen war konnte er sich selbst nicht erklären, wahrscheinlich war es der plötzliche Schock, gemischt mit einer großen Portion Angst. Doch was er damals verbockt hatte musste er nun ausbaden, das war ihm dank Sutherland klar geworden. "Jedenfalls... darf ich kurz reinkommen? ich würde dieses Gespräch ungern auf dem Flur führen."

"Ich habe von der Geschichte gehört", erwiderte er lediglich, machte jedoch keinerlei Anstalten dazu, sich auch nur einen einzigen Schritt nach links oder rechts zu bewegen, um den anderen Mann in die Wohnung, die Julia und er gemeinsam mit ihren Kindern bewohnten, zu lassen. John hatte Julie damals schwanger kennen gelernt und aus beinahe Fremden waren während der Zeit ihrer Schwangerschaft irgendwann enge Freunde und schlussendlich Liebende geworden. James hatte er gemeinsam mit ihr aufgezogen als wäre es sein eigener Sohn, wenngleich Julie ihm auch niemals Lügen über den biologischen Vater ihres Sohnes aufgetischt hatte. Sie hatte ihm lange davon erzählt, was zwischen Steve und ihr vorgefallen war, dass er sie hatte einfach sitzen lassen, nachdem er ihr zuvor die große Liebe vorgespielt hatte und während zahlreicher Unterhaltungen war Johns Wut auf diesen Feigling stetig weiter gestiegen. Er verstand es nicht, weshalb Steve einfach seine Familie im Stich gelassen hatte, in einer Nacht und Nebel Aktion verschwunden war und noch nicht einmal den Schneid besessen hatte, sich in den vergangenen Jahren bei Julie zu melden, geschweige denn ihr eine Nachricht zukommen zu lassen, in der er ihr alles erklärte.
Stattdessen stand er jetzt, neun Jahre später, einfach so vor der Tür und glaubte, er könne mit einem Strauß Blumen alles wieder gut machen. "In meinen Augen gibt es hier nichts zu besprechen", fügte er nur wenige Augenblicke später hinzu und hob die Augenbrauen ein Stück an.

"Mhh... ich finde da gibt es doch noch einiges zu besprechen."
Erwiderte Steve und nickte kurz. "Pass auf Julie ich verstehe das du mir das mit damals nicht verzeihen kannst, das verlange ich auch gar nicht von dir. Aber ich würde gerne einmal meinen Sohn sehen und euch beide vielleicht ein wenig unter die Arme greifen was den Kleinen betrifft aber..." Er sah kurz nach links und rechts und schluckte kurz. "Bitte, lasst uns das in Ruhe drinnen besprechen. Nur ein paar Minuten, versprochen."
Das Julie ihrem Mann alles darüber erzählt hatte was vorgefallen war überraschte ihn nicht sonderlich, sie war schon damals relativ direkt gewesen und machte im allgemeinen keine großen Geheimnisse.
"Aber... gilt das auch für den Jungen?" James hatte seinen eigentlichen Vater nie gesehen, weswegen eigentlich nichts dagegen sprach John mit einem mal auch zum leiblichen Vater zu machen. Doch das Kind zu belügen... auch wenn es zu seinem besten sein sollte. "Nein .. sowas würde sie nicht machen..."

Julie blickte in Steves Gesicht, ohne das die Kälte aus ihren Augen wich. Warum? Warum musste er kommen, warum musste er ihr Leben so erschüttern, ihre wundervolle Idylle gefährden? Wollte er sie zurück? Wollte er seinem Sohn jetzt plötzlich, nach NEUN Jahren, ein Vater sein?! Wozu? Nur damit er beim ersten Anzeichen von Ärger erneut das Weite suchen konnte? Nur damit sie danach noch mittelloser zurück blieb, mit zwei Kindern? Nein, nein das würde sie nicht tun. Sie empfand nichts mehr für ihn, selbst der Hass hatte über die Jahre einem kalten grausamen Gefühl der Gleichgültigkeit Platz gemacht. Eben diese Kälte trug sie ihm nun auch entgegen...
"Nein!", sagte Julie mit kühler und fester Stimme. "Dazu hast du kein Recht. Er ist unser Sohn, warum sollte ich dich zu ihm lassen? Nur damit er einen wildfremden Mann sieht, der ihm plötzlich als sein Vater vorgestelt wird und sein Leben völlig aus den Fugen gerät?! Ganz bestimmt nicht! Das kannst du vergessen!", erklärte Julie. Sie war sich nicht sicher wie sie mit der Situation umgehen sollte. All die Jahre hatte sie bloß versucht ihn zu vergessen, hatte sich nicht ausgemalt wie er plötzlich vor der Tür stand und was sie sagen würde, so wie es vielleicht andere Frauen getan hätten. "Ich möchte das du jetzt gehst! Und ich will nicht das du zurück kommst!"

"Julie..." Fing er an, und presste kurz die Lippen aufeinander.
"Ich ... ich möchte nur das er weiß wer sein wahrer Vater ist... ich weiß das ich die Bezeichnung dafür eigentlich schon lange verloren hab aber... " Er sah verlegen zur Seite, dann wieder zu Julie und kurz zu John.
"Ich hab mich verändert. Das soll nicht heißen das ich möchte das du mir verzeihst, ich will nur ... meinen Sohn sehen und ... ich weiß nicht... Zeit nachholen die wir beide glaube ich bitter nötig haben. Ich meine ... es ist doch nicht richtig den Jungen glauben zu lassen das er hier." Seiner Hand ging kurz zu John. "Sein Vater ist. Irgendwann und wenn er dann zwanzig sein mag wird er's rausfinden und euch dann Vorwürfe machen. Bitte, ich habe nicht vor euch irgendetwas kaputt zu machen, ich will mich bloß meiner Verantwortung stellen. "
Die ersten Bewohner, darunter ein Salarianer und eine Asari, begannen bereits interessiert zu Steve zu schauen der noch immer vor der Tür stand, zusammen mit dem Blumenstrauß, der ihm inzwischen mehr als nur unpassend vorkam.

Julie fühlte sich allmählich unwohl, angesichts der Blicke die auf sie geworfen wurden. Sie wollte das Gespäch so schnell wie nur möglich beenden, wollte in die Wohnung und ihrem Sohn auf die Frage wer denn der Mann vor der Tür gewesen war, bei einem Stück Kuchen erzählen, es wäre bloß jemand gewesen, der Blumen verkaufe. Ihre Gedanken rasten, suchten Antworten auf jede mögliche Frage, Reaktionen auf jede Situation die an diesem Tag noch kommen könnte, bis sie über eine simple und doch so grausame Frage stolperten und stoppten. Was ist wenn er recht hat? Es waren sechs Wörter, sechs Wörter die ihr eine Zukunft zeigten, die sie nicht planen und nicht verbessern konnte. Was war wenn ihr Sohn raus fand, dass Steve sein Vater war? Wenn Steve sogar dazu kam es ihm zu erzählen. James würde es ihr nur schwerlich verzeihen können, wenn überhaupt.
Julie wischte die Gedanken mit einem Mal allesamt bei Seite. Die Galaxie war riesig! Wie wahrscheinlich war da schon die Möglichkeit, dass Steve und James sich wieder sahen? Wie groß war die Möglichkeit, dass James herausfinden sollte wer sein leiblicher Vater war, wenn doch jedes Dokument John als den Vater auswiesen? "Nein Steve! Wir brauchen weder dein bisschen Geld, noch deine Hilfe in irgendeiner anderen Art! Es ist zu spät! Nein und das wars!", erklärte Julie, riss eine Rose aus dem Strauß und verschloss die Tür mit einem Knopfdruck, verriegelte sie mit einem zweiten. Erleichtert atmete sie aus und gab sich den Armen ihres Mannes hin, achtete dabei auf ihre kleine Tochter.